Run-Off – Generali Leben hat Kundenbestand verkauft
Die Lebensversicherungsgesellschaften zählen zu den großen Opfern der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), denn ihnen fällt es zunehmend schwerer ihre Garantiezusagen zu erfüllen. Vor wenigen Wochen platzte die Bombe – die Generali Lebensversicherung, einer der größten Versicherer hierzulande, verkaufte ihren aus rund vier Millionen Verträgen bestehenden Kundenbestand an die Viridium Gruppe. Momentan fehlt dazu noch die Genehmigung vom Bundesamt für Finanzaufsicht (Bafin), dennoch sorgte dieser Umstand in der Versicherungsbranche bereits für gehöriges Aufsehen.
„Die Urgründer der Generali-Versicherer würden sich im Grabe umdrehen“
Die Entscheidung spaltete die Branche in verschiedene Lager auf. Negativ zu diesem Vorgang äußerte sich Oliver Drewes, Vorstand des Maklerpools Maxpool. Für ihn gleicht der Verkauf einer Bankrott-Erklärung und in einem Brief an VWheute rechnet er mit dem Meachanismus Run-Off und den Versicherungen, die diesen Weg bestreiten, ab: „Es regt mich auf, wie die Versicherungsmanager von heute so ticken. Ohne Verantwortungsbewusstsein gegenüber Kunden oder Mitarbeitern, ohne Ehre und ohne jeden Anstand. Wirklich schlimm. Die Urgründer der Generali-Versicherer würden sich im Grabe umdrehen.“
Kritik an Öffentlichkeitsarbeit der Generali
Kopfschüttelnd blickt Drewes auf die Öffentlichkeitsarbeit der Generali Leben: „Interessant finde ich, wie die Öffentlichkeitsarbeit der Generali zudem verzweifelt versucht, diese schlimme und selbst im politischen Berlin stark umstrittene Bankrotterklärung eines „Run-Offs“ tatsächlich als ganz tolle Lösung für alle Beteiligten zu verkaufen […] Es sei doch alles super: Die Generali erhält viel „frisches Geld“ und kann damit die Solvabilität der Muttergesellschaft in Deutschland um sage und schreibe 43 Prozentpunkte und die der internationalen Generali Group um immerhin 2,6 Prozentpunkte steigern.“ Seine Empfehlung lautet dazu: „Denkt man dieses Argument weiter, kann man der Generali nur empfehlen, wirklich ALLES zu verkaufen – dann bleibt nämlich noch viel mehr Geld für die Solvabilität und für die Anteilseigner übrig. Wäre das nicht eine noch viel bessere Lösung?“
Wirtschaftet ein Run-Off-Abwickler im Sinne des Kunden?
Ein Kunde, der seinen Altersvorsorgevertrag ursprünglich bei der Generali oder der Volksfürsorge abgeschlossen hatte, ist nun zukünftig bei der Viridium Gruppe versichert. Oliver Drewes ist skeptisch: „Ihre Altersversorgung ist somit fortan die knallharte Renditeanlage eines `Run-Off-Abwicklers´, der sicherlich vor allem sein eigenes Wohl im Blick halten wird und naturgemäß keine leistungsbelebende Konkurrenzfähigkeit mehr braucht. Ob die Kunden damit einverstanden wären, wenn man sie fragen würde? Ich wäre es nicht.“
Hoffnung auf negative Wirkung
Die in den Medien erzeugten negativen Wellen sind für den Chef des Maklerpools positiv anzusehen, damit die „Söldnermanager der Versicherungsindustrie“ verstünden, dass so etwas nicht geht. „Mir ist klar, dass auch der größte Lärm die sicherlich weit fortgeschrittenen Gespräche zwischen Generali und dem Abwickler nicht mehr bremsen kann. Aber ich habe trotzdem die Hoffnung, dass `viel Lärm´ dazu betragen würde, dass andere Versicherer sich nicht mehr trauen möchten, dem Pfad der Generali zu folgen“, so Drewes.
Unterschiedliche Expertenmeinungen
Andere Experten sehen den Schritt der Generali weniger kritisch. Michael Klüttgens, Versicherungsexperte der Bertungsgesellschaft Willis Towers Watson, kann diesem Schachzug sogar positive Seiten abgewinnen: „Ich finde nicht, dass sich die Verbraucher Sorgen machen müssen. Die Abwickler unterliegen ebenfalls den strengen Regeln der Finanzaufsicht Bafin und müssen zudem die Gewinne zum allergrößten Teil an ihre Kunden weiterreichen. Es mag ein komisches Gefühl auslösen, dass die Policen in den Händen von Finanzinvestoren liegen. Aber ich denke, für viele Kunden ist das eine bessere Lösung, als ein schrumpfender Altbestand, dessen steigende Verwaltungskosten auch von den Kunden mitbezahlt werden würde“, stellt er in einem Interview mit dem Handelsblatt fest. Ebenfalls deutliche Worte findet Joachim Wenning, Vorstandschef des Rückversicherers Munich Re: „Mich erstaunt das Ausmaß der Empörung über mögliche Verkäufe an Run-Off-Spezialisten, denn dies ist in der Sache nicht angemessen.“
Steigende Zahlen von Run-Offs in den nächsten Jahren
Klüttgens geht aktuell nicht davon aus, „dass wir jetzt sehr schnell weitere sehr große Deals sehen werden.“ Doch könne man durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), regulatorischer Vorgaben und den Kostendruck in der Versicherungsbranche „in den nächsten Jahren weitere Transaktionen sehen, in denen sich einzelne Versicherer von Lebensversicherungsbeständen oder Teilen ihrer Bestände trennen werden. […} Der Markt ist in Bewegung geraten und der aktuelle Deal dürfte kein Einzelfall bleiben.“ Die Ratingagentur Fitch geht bis zum Jahr 2022 von einem Run-Off-Volumen in Höhe von € 180 Mrd. aus. Es stellt sich nun die Frage: Werden sich Politiker in diese Art der Geschäftspolitik einmischen? Gerhard Schick, Finanzexperte der Partei Die Grünen, äußert seine Bedenken: „Das ist kein Signal der Verlässlichkeit, zumal das Lebensversicherungsgeschäft an anderer Stelle im Konzern weiter betrieben werden soll. Die langfristige Beteiligung an den Überschüssen kann sinken, die Kapitalausstattung auf Gruppenebene schlechter sein, aber auch die Qualität des Services kann leiden.“
Viridium und Generali sehen sich auf dem richtigen Weg...
Es scheint wenig verwunderlich, dass sich die beiden Vertragspartner auf dem richtigen Weg sehen. Giovanni Liverani, Deutschland-Chef der Generali meint dazu: „Ich glaube, dass unsere Lösung eine Blaupause für den gesamten Markt werden könnte. Denn das Problem von sinkenden Prämienvolumen und steigenden Verwaltungsgebühren haben viele Versicherer in Deutschland.“ Doch die aktuelle Debatte bereitet Heinz-Peter Roß, Vorstandschef von Viridium, Kopfzerbrechen. Nach seiner Meinung sollte der Verkauf von Lebensversicherungsbeständen an Abwickler wesentlich sensibler diskutiert werden. Bei einer Fachkonferenz betonte er kürzlich: „Wir bewegen uns in einem emotional aufgeladenen Umfeld. Altersvorsorge ist nichts, womit man spielt. Das merkt man in den Diskussionen zu aktuellen Gesetzesvorhaben.“
...Maxpool-Chef dagegen nicht
Maxpool-Chef Oliver Drewes sieht den Vorgang eher skeptisch, sein Fazit lautet: „Versicherungen sind Vertrauenssache und die Risikoträger schultern neben dem versicherten Risiko auch eine Menge Verantwortung dafür, dass die vertraglich gegebenen Zusagen auch dauerhaft und auch in ferner Zukunft eingehalten werden. Verantwortung verpflichtet.“ Weiter führt er aus: „Der Verkauf der vier Millionen Lebensversicherungskunden an einen `Abwickler´ ist nun aber die endgültige Aufgabe des für einen Versicherer erforderlichen Verantwortungsbewusstseins. Rechtlich wahrscheinlich möglich – aber eine ehrenhafte und verantwortungsbewusste Gesellschaft darf nun mal nicht alles tun, nur weil es rechtlich machbar ist. Die Generali tut es offenbar trotzdem und vervollständigt damit den fragwürdigen Gesamteindruck der letzten Jahre.“
Entscheidung der Bafin noch offen
Bei ihrer Entscheidungsfindung dürfte die emotionale Diskussion die Bafin kaum tangieren: „Durch einen Unternehmensverkauf darf kein Versicherungsnehmer schlechter gestellt werden. Die stellen wir bei Bedarf durch geeignete Maßnahmen sicher“, so Exekutivdirektor Frank Grund. Daher werde die Übernahme durch Viridium sehr gründlich geprüft und man könne demzufolge erst in einigen Monaten mit einem Ergebnis rechnen. Weiter steht in der Erklärung der Bafin zu lesen, dass sich die vertraglichen Garantien nicht verändern und bisher zugeteilte Überschüsse erhalten bleiben, ebenfalls darf der Wert der Überschussbeteiligung nach der Übertragung nicht unter den vorherigen Wert sinken. Das Resultat wird mit großem Interesse erwartet.
Ein Dammbruch in der Branche?
Es bleibt nun abzuwarten, ob der Fall Generali einen Dammbruch in der Branche darstellt. Ein weiterer Big Player auf dem Markt – nämlich die ERGO – schreckte kürzlich davor zurück, sechs Millionen Verträge abzustoßen. Im Gegenzug haben jedoch andere Gesellschaften, wie etwa Arag, Skandia, Basler und Delta Lloyd ihre Bestände verkauft. Wie bereits Eingangs erwähnt, bereitet es den Gesellschaften große Probleme in einer Zeit ohne Zinsen, Renditen für ihre Kunden zu erwirtschaften. Hält diese Phase also weiter an, werden Aktionen dieser Art sicherlich noch häufiger auftreten.
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