Die neue europäische Bankenaufsicht SSM
Seit November 2014 gibt es den einheitlichen Aufsichtsmechanismus SSM (Single Supervisory Mechanism). Somit hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Aufsicht über alle 130 großen Banken der Mitgliedsstaaten und deren Aufsichtsbehörden übernommen. Durch die Reform der Finanzaufsicht auf europäischer Ebene sind bereits drei Behörden (EBA, EIOPA, ESMA) sowie ein Ausschuss für systemische Risiken (ESRB) entstanden. Das hat den Euro-Staaten noch nicht gereicht und so wurde SSM ins Leben gerufen. Wissenschaftler und Praktiker zweifelten von Anfang die rechtliche Zulässigkeit, den Zweck und vor allem die Effizenz des Vorhabens an. Macht es Sinn in einem globalen Finanzmarkt, die Verantwortung zur Regulierung von Märkten auf immer mehr Behörden aufzuteilen? Bekanntermaßen kommt es hierbei zu hohen Reibungsverlusten.
Regulierungswut soll Bürger besänftigen
Kann sich der Anleger mit dem Wissen, dass sein Sparguthaben nun auf der Bank sicher ist, beruhigt zurücklehnen? Oder ist etwa weiterhin höchste Wachsamkeit gefordert?
Wir erleben wieder einmal eine charakteristische Reaktion der Politik auf Fehlentwicklungen durch das Schaffen voluminöser Gesetzesänderungen. Diese Regulierungswut wird gerne zur Beruhigung der Bürger eingesetzt – wie bereits nach der Bankenkrise im Jahr 2008. Was hat sich an der Arbeitsweise der Kreditinstitute seit der Lehman-Krise trotz Gesetzesflut geändert? Erschreckenderweise nichts. Die aktuelle EU-Verordnung umfasst mehrere hundert Seiten und für den Vollzug arbeiten bei der EZB in Frankfurt rund 900 neue Mitarbeiter. Wie bei allen staatlichen Maßnahmen, die zur Verhinderung von Krisen dienen sollen, stellen sich folgende Fragen:
- Besitzen diese Mitarbeiter auch entsprechende Qualifikationen für ihre neuen Aufgaben?
- Verfügen sie über genügend Durchsetzungsvermögen gegenüber Banken und Politikern?
- Genügen die rechtlichen Hilfsmittel, um das gewünschte Ziel zu erreichen?
- Können sie den Beginn einer Krise rechtzeitig zu erkennen und dementsprechend reagieren?
Rechtliche Instrumentarien
Die durch SSM zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel sind einschneidend. So reicht die Verantwortung der EZB für die großen Banken von deren Zulassung bis zur Aberkennung der Banklizenz. Zusätzlich kann ein höherer Kapitalpuffer verlangt werden. Hätte mit all diesen Möglichkeiten der Ruin beispielsweise von der Hypo Real Estate oder WestLB umgangen werden können? In der Realität nicht. Nach Abschluss der jeweiligen Finanztransaktionen waren die Kreditinstitute nicht mehr in der Lage, sich selbst zu retten und der Staat war gezwungen einzugreifen. In Situationen dieser Art, ist jede Aufsicht machtlos. Um Bankenkrisen entscheidend verhindern zu können, müssten bestimmte Geschäftsmodelle vorbeugend verboten werden. Im Falle Lehman hatten nicht einmal langjährig erfahrene Vorstände und Aufsichtsräte die tatsächlichen Risiken überblickt. Sie stützten sich bei der Beurteilung auf Aussagen von Ratingagenturen, die schlampig gearbeitet hatten. Jetzt soll ein Heer jungdynamischer, karrieregeiler Beamten bei der Umsetzung des SSM hellseherische Fähigkeiten besitzen. Wird es soweit kommen, dass EZB-Mitarbeiter interne Beurteilungen eines Kreditinstitutes ignorieren und diesem verbieten in Anleihen von Staaten mit erstklassigem Rating zu investieren? Die Realität sieht anders aus. Viele Menschen fragen sich, wie es einer bunt zusammengewürfelten Truppe von Personen, die mit Bankaufsichtsfragen noch nicht oder erst seit kurzem zu tun haben, gelingen soll mit mehr Erfolg zu handeln, als die erfahrenen Aufsichtsbehörden des jeweiligen Landes. Deren Mitarbeiter kennen die Situation vor Ort am besten, werden aber durch SSM zu reinen Handlangern degradiert. Es stellt sich die Frage: Warum wurde die Kompetenz nicht bei den nationalen Aufsichtsbehörden belassen und lediglich eine Art Oberaufsicht für schwerwiegende Fälle gegründet? Eine Antwort dazu gibt es nicht...
Der Unterschied zwischen freier Wirtschaft und staatlicher Verwaltung
Eine neue Geschäftsidee soll umgesetzt werden – wie wird dieses Vorhaben in der Wirtschaft vorangetrieben? Sicherlich wird kein Firmeninhaber in kürzester Zeit sein komplettes Personal aus unerfahrenen Leuten rekrutieren und dann den Startknopf drücken. Misslingt das Projekt, geht die Firma in Konkurs und Kapitaleigner, Manager und Mitarbeiter verlieren ihr Kapital und/oder ihren Arbeitsplatz. Bei staatlichen Behörden ist die Situation eine andere. Im Falle SSM tragen beim Scheitern der Unternehmung weder EU noch Beamte die Konsequenzen. In den „sauren Apfel“ beißen dann die Steuerzahler der beteiligten Staaten, welche die Kosten tragen müssen – eventuell auch noch die für die Rettung weiterer Pleitebanken. Unmittelbar betroffen können auch Bürger sein, die ihre Ersparnisse bei diesen Kreditinstituten angelegt haben. Das Beispiel Zypern hat gezeigt, dass auch ein beträchtlicher Teil der angelegten Gelder verloren sein kann, wenn die EU eine Bank retten muss.
Hellseherische Fähigkeiten sind gefragt
Realistisch gesehen bedarf es in den meisten Fällen nahezu hellseherischer Fähigkeiten, um Ereignisse vorherzusehen, die zur nächsten Krise führen können. Dürfen Beamte, die im Dienste der SSM stehen, den Großbanken risikoreiche Geschäfte bzw. die Rettung großer Firmen verbieten, die für den Gewinn des jeweiligen Kreditinstitutes wichtig sind? Wie reagiert derzeit die Politik auf die Überflutung des Marktes mit billigem Geld, das den europäischen Anlegern jährlich um € Milliarden an Zinseinkünften bringt? Es stört niemanden, dass die beliebteste Form der Altersvorsorge – die Kapitallebensversicherung – damit unrentabel geworden ist. Versicherungsgesellschaften sind deshalb kaum noch in der Lage, ihre zugesagten Garantierenditen zu erwirtschaften. Vielmehr helfen die künstlich niedrig gehaltenen Zinsen den Regierungen über die Runden zu kommen. Derzeit überweist die EU Milliarden an Griechenland obwohl klar ist, dass diese Kredite nie zurück gezahlt werden können.
Konsequenzen für den Anleger
SSM ist kein Heilmittel gegen Bankenkrisen. Um in einer Notlage kein Geld zu verlieren, besteht der einzige Schutz darin Anlageformen zu wählen, bei welchen die Kundengelder strikt vom allgemeinen Vermögen des Kreditinstitutes getrennt sind. Bei Fest-, Tagegeldern und Sparbüchern ist das nicht der Fall. Bei diesen Anlageformen geht mit der Einzahlung das Geld in das Eigentum der Bank über. Der Kunde besitzt nur noch einen Rechtsanspruch auf Rückzahlung, der bei Insolvenz des Kreditinstitutes wertlos ist. Es gibt zwar die deutsche Einlagensicherung; diese ist allerdings bei den meisten Banken auf € 100.000 pro Anleger begrenzt. Außerdem ist sie von der Kapitalausstattung her nicht in der Lage bei einer flächendeckenden Krise allen Kunden Hilfe zu leisten.
Investmentfonds sind Sondervermögen
Investmentfonds sind vor der Pleite einer Bank geschützt. Bei den Einlagegeldern handelt es sich um ein sogenanntes Sondervermögen. Zu einfach wäre wenn man jetzt sagt, in diesen Anlagen gibt es kein Risiko mehr. Entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg ist die Qualität des jeweiligen Fonds. Maßgeblich kommt es auf die Fähigkeiten des Fondsmanagements an, welches die Produktauswahl trifft. Gute Performance in der Vergangenheit ist keine Garantie für den Erfolg in der Zukunft. Allerdings ist die Chance statistisch gesehen groß, dass ein Fonds der in den letzten Jahren gut gelaufen ist, dies auch weiter tut. Auch gute Fonds können in Krisenzeiten an Wert verlieren, langfristig werden diese aber kompensiert. Bekanntlich finden Schwankungen an der Börse nicht auf einer geraden, sondern auf einer steigenden Linie statt.
Sinn von SSM zweifelhaft
Trotz der neuen europäischen Bankenaufsicht ist für den Anleger weiterhin erhöhte Vorsicht geboten. Nach wie vor ist zweifelhaft, ob mit SSM künftige Krisen vorhergesehen und abgewendet werden können. Der deutsche Bürger muss sich von der althergebrachten Anlegermentalität verabschieden. Sparbücher, Festgelder und andere Bankguthaben sind in Zeiten, in denen Großbanken insolvent gehen können, keine sicheren Anlageformen mehr. Desweiteren wird es mittelfristig keine Zinsen mehr geben, dank EZB. Der Sparer soll sich deshalb aus Eigeninteresse mit Anlagen beschäftigen, bei denen das eigene Kapital wirtschaftlich und rechtlich von dem der Bank getrennt ist. Auf den Punkt gebracht sind dies Investmentfonds.